Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Bern - Berichte & Fotos

vom 31. Mai bis 1. Juni 2019

Bericht  von Dan Sennhauser

Valle d'Aosta - eine Entdeckung!
Das Aostatal ist die kleinste Weinbauregion Italiens, und gilt als das Aschenputtel des norditalienischen Weinbaus, das sich allerdings mittlerweile überhaupt nicht mehr zu verstecken braucht. Trotz seiner geringen und wegen der Gebirgslage schwierigen Anbaufläche darf das Aostatal schon seit einigen Jahren sein stolzes Weinhaupt erheben.

Die Weinberge schmiegen sich über eine Länge von 90 Kilometern - unterhalb des Mont Blanc ab ca. 1300 m ü.M. beginnend - bis an die Grenze zum Piemont eng an die Schlucht, die von dem kleinen Fluss: Dora Baltea durchströmt wird. Seit dem neunten Jahrhundert geriet das Aostatal immer wieder unter französischen Einfluss. Aus dieser Zeit stammt auch die zweisprachige Etikettierung auf den Flaschen der dort erzeugten Weine.

Rebsorten und Geografie
Im Aostatal werden, ebenso wie im benachbarten Wallis, in erster Linie autochthone Rebsorten angebaut. Dazu gehören unter anderem Cornalin d'Aoste (Achtung: der Cornalin d'Aoste heisst im Wallis Humagne rouge. Der autochthone Cornalin aus dem Wallis ist deshalb nicht verwandt mit dem Cornalin d'Aoste!), Fumin, Freisa, Mayolet, Petite Arvine, Petit Rouge, Vuillermin, Vien de Nus und Prié Blanc (ist noch wurzelecht, d.h. ohne amerikanische Unterlagsrebe, deshalb nur in den Höhenlagen von Morgex und La Salle anbaubar!). Neben diesen regionaltypischen Sorten, kommen in besonders günstigen Lagen mittlerweile auch international bekannte Rebsorten wie der Chardonnay, Gamay, Nebbiolo oder Pinot Noir zum Einsatz.

Die Weinreise
Wir Berner Weinfreunde wollten uns nicht entgehen lassen, diese spannende Region näher kennenzulernen, weshalb wir uns am Morgen des 31. Mai auf die Reise machten. Bei wunderbarem Wetter, führte uns der Chauffeur der Firma Marti-Reisen über, resp. durch den grossen St.Bernhard ins Aostatal.

Als erstes besuchten wir die Weinkellerei „Les Crêtes“ in Aymaville. Diese in 3. Generation von der Familie Charrère geführte Azienda hat mit 20 ha und 180`000 Flaschen die grösste private Weinproduktion der Region. Die Rebberge verteilen sich über sechs valdostanische Gemeinden. Die Weinproduktion konzentriert sich v.a. auf die autochtonen Rebsorten wie Petit rouge, Fumin, Mayolet – bei den Weissen dominiert der Petite Arvine

Nach einer kurzen Wanderung durch die bereits schön spriessenden Reben – hinauf zum „Miniatur-Weinschlösschen“ mit grossartigem Rundblick über das ganze Aostatal, wurden wir zur Degustation geladen. Im grossartigen modernen Degustierraum durften wir die erste Bekanntschaft mit den valdostanischen Weinen machen --- und wurden nicht enttäuscht: der Petite Arvine, den wir als erstes degustierten, hinterliess einen grossartigen Eindruck, und einige von uns meinten , das sei der beste Petite Arvine, den sie je getrunken haben. Es ging weiter mit diversen Weinproben – grossartig auch der Torrette 2016 (70% Petit Rouge, der Rest Fumin, Cornalin und Mayolet) ) Leider gab es keinen Fumin mehr und der neue Jahrgang (2018) ist noch nicht abgefüllt!

Nach dieser wunderbaren Degustation waren wir alle hungrig. Zum Glück war es nur eine kurze Fahrt zur Trattoria di Campagne in Sarre, wo wir ein tolles „Antipasto valdostani“ und anschliessend echt italienische Tortellini an einer Gorgonzola–Sauce erhielten : wunderbar auch die dazu passenden Weine aus der AOC Enfer d`Arvier.

Am Nachmittag wurden wir von Elio Ottin und seiner sympathischen Frau in der Azienda Ottin in Porossan oberhalb der Stadt Aosta empfangen. Die ist eine kleine private Azienda – ein echter Familienbetrieb, geführt von Elio mit grosser Empathie, Begeisterung, Freude und Herzblut. Auch die Weine präsentieren sich entsprechend: einer besser als der andere! Auch hier stach bei den Weissen besonders der Petite Arvine hervor – und bei den Roten: ein besonderer Höhepunkt – unschlagbar: der Fumin!

Nun war es langsam Zeit, sich auf den Weg zum nahe gelegenen Hotel Cheval Blanc in Aosta zu begeben um die Zimmer zu beziehen – und sich etwas zu erfrischen und auszuruhen. Den Abend verbrachten wir zuerst auf einem Stadtbummel durch die Altstadt von Aosta und anschliessend trafen wir uns im Ristorante „Vecchio Aosta“ – in den Gemäuern der alten römischen Stadtmauer. Das Essen: natürlich typisch valdostanisch : zuerst Crespelle mit Fonduta – und anschliessend ein Carbonada valdostana (in Rotwein eingekochtes Rindfleisch) mit Polenta - selbstverständlich mit den passenden Weinen. Besonders erwähnenswert: der Torrette superieur, Cave des onze communes, Aymaville.

Diese Kellerei liegt in Morgex am Weg Richtung Mont-Blanc auf 950 m. Die Rebberge liegen an den nach Süden gewandten Berghängen bis auf 1200 m ü.M. und sind die höchstgelegenen Reben Europas. Es gibt nur eine Rebsorte, die auf dieser Höhe dank ihrer kurzen Vegetationszeit gedeiht: die Prié blanc. Diese Rebe ist eine Direktträgerin, d.h. sie braucht keine amerikanische Unterlage, da es auf dieser Höhe noch nie ein Problem mit der Reblaus (Phyloxera) gab. Scheinbar ist es diesem Schädling hier oben einfach zu kalt!

Da die Moste aus dieser Rebe recht viel Säure enthalten, eignen sie sich diese besonders für die Schaumweinproduktion – Stahltankgärung und Flaschengärung. So hatten wir an diesem herrlichen Sommermorgen nach einem wunderbaren Spaziergang in die Rebberge Gelegenheit, die diversen Schaumweine zu degustieren – also ein echter „Champagner“ – Frühschoppen! Bei der Beurteilung waren die Meinungen doch recht unterschiedlich: zu viel Säure – feine Frucht – herrliche Perlage – kurzer Abgang – etc. Beim Stillwein waren sich aber die meisten von uns doch recht einig: zu viel Säure!

Es ging nun weiter, wieder das Tal hinunter bis nach Introd, zur Azienda vitivinicola „Lo Triolet“, wo wir von Marco empfangen wurden. Dieser Besuch war sicherlich der Höhepunkt unserer Reise:

Sehr liebenswürdiger Empfang, wunderbare Sonnenterasse, schöner Degustationsraum und v.a.: unschlagbare Weine! Für den Pinot Grigio - Marcos weisse Spezialität - hat er schon öfters die Auszeichnung „Tre bicchieri“ vom Gambero rosso erhalten – unter anderem auch für den eben erst abgefüllten 2018er! – den wir selbstverständlich degustieren durften! - vielleicht war dies der beste Pinot grigio, den wir je degustiert haben!? Aber auch die andern Weine, die uns präsentiert wurden, waren absolute Spitze! – auch hier: der Fumin – unglaublich diese Fülle, diese Kraft und Intensität und doch eine strukturelle Feinheit mit zart betonter Frucht, die an Brombeeren, Baumnüsse und ganz leicht an schwarzen Pfeffer erinnert.

Die Degustation wurde begleitet von diversen zum jeweiligen Wein passenden Antipasti-Häppchen – gefolgt von einer Carbonada, diesmal als Beilage neue Kartoffeln.

Den Abschluss der Reise bildete ein Besuch der Weinkellerei „Grosjean“ in Quart, ebenfalls hoch über Aosta gelegen. Auch diese Azienda ist ein Familienbetrieb in 3. Generation. Es handelt sich mit 16 ha um einen der grössten Betriebe im Valle d`Aosta. Viele Weine werden nach den Richtlinien der biologischen Produktion ausgebaut – und das Ziel der jungen Generation ist es, die gesamte Produktion auf rein biologisch auszudehnen – was aufgrund der kalten Winter und heissen und trockenen Sommer mit viel Wind durchaus möglich sein wird. Es ist der einzige anerkannte Bio-Betrieb des Aostatales.

Auch hier waren wir erfreut über die Vielfalt der Oenologie des Aostatales. Neben Weinen der bekannten Rebsorten wie Chardonnay, Pinot Nero, Fumin etc., konnten wir einen Wein degustieren aus einer autochtonen Rebsorte, welche ausschliesslich von Grosjean im Aostatal angebaut wird: ein Prèmetta (noch nie gehört ? – tja , es ist immer spannend, was neues kennenzulernen! ) Der Wein hat eine sehr helle Farbe – fast Rosé – feine Frucht und eine feine, leicht prickelnde Säure. Die Weine von Grosjean mochten durchwegs zu überzeugen – insbesondere der Fumin war wiederum eine Bombe!

Man soll ja jedes Fest dann abbrechen, wenn es am schönsten ist! Wir kamen nicht darum herum, die Degustation bei Grosjean um ca. 17.15 Uhr abzubrechen, um die ca. 3 stündige Heimfahrt nach Bern unter die Räder zu nehmen!

Mit dieser Reise wurde uns allen klar: sicherlich werden wir in Zukunft die Weine des Aostatales viel mehr beachten – und insbesondere der Rebsorte Fumin nie mehr aus dem Weg gehen!