Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Bern - Berichte & Fotos

Bericht von Fritz Sahli

Der Kanton Aargau kann nicht nur auf eine geschichtsreiche Zeit zurückblicken, in die auch Bern verwickelt war, sondern zählt zu den Kantonen, wo die Kultur gross geschrieben und auch gelebt wird. Zur Kultur gehört bekanntlich auch das Thema „Wein“. Und hier liegen die Kenntnisse punkto Aargau im Bernbiet meist an einem kleinen Ort.

Markus FuchsFährt man von hier aus nach Zürich, oder weiter in die Ostschweiz, so sieht man den schön gelegenen Kanton meist nur von der Autobahn aus und verpasst vieles. - Dem wurde nun von den Berner Weinfreunden entgegengetreten: Der für den Aargauer Wein-Anlass eingeladene Referent, Weinakademiker, Markus Fuchs, Präsident (auch Stubenmeister genannt) der Aarauer Sektion, verstand es bestens den Bernern seinen Weinbau-Kanton näher zu bringen. Der Anlass fand im Rahmen der vom ANAV lancierten „Wanderdegustation“ statt, von der ebenfalls andere Sektionen profitierten. – Präsident Dan Sennhauser konnte dazu um die 50 sehr interessierte Weinfreundinnen und Weinfreunde begrüssen. Dabei machte er unter anderem auf die kommende Vereinsversammlung mit Blinddegustation vom 15. März aufmerksam.

Sieben Weinbauregionen
Der Aargau ist nach Zürich, Schaffhausen und Graubünden – gefolgt vom Thurgau - der 4. grösste Weinbaukanton der Deutschschweiz. Der seit 1803 (Beitritt zum Bund) in seiner heutigen Form bestehende Kanton profitiert topografisch von einer Lage zwischen dem Mittelland bis ins Seetal und über die Ausläufer des Juras bis an die Gestade des Rheins. Die sieben Weinbauregionen heissen (alphabetisch) Aarau und Schenkenbergertal, Geissberg, Fricktal (mit den höchstgelegenen Rebbergen des Kantons), Limmattal, Reusstal, Seetal/Wildegg sowie Unteres Aaretal und zeigen die topografische Vielfalt dieses auch punkto Wein interessanten Teils der Deutschschweiz auf. „Schweizer Weine werden zum Grossteil in der Schweiz getrunken. Weniger als zwei Prozent werden exportiert“, erklärte Markus Fuchs. Aargauer Weine würden kaum dazu gehören, stellt er fest und ergänzte, es dürfe angenommen werden, dass Aargauer Weine grossmehrheitlich im Kanton selber getrunken werden.
Hauptgründe dafür sei die zur produzierten Weinmenge relativ hohe Bevölkerungszahl sowie der noch wenig entwickelte Tourismus. So finde der grösste Teil des Weinabsatzes nach wie vor direkt beim Produzenten statt. Der Verkauf über die Lokalvertretungen der Grossverteiler Coop und Denner habe sich nicht bewährt, wusste Weinakademiker Fuchs weiter zu berichten. „Der Direktverkauf hat zudem den Vorteil der breiten Abstützung und Verankerung der Vertriebsaktivitäten und hilft damit, Abhängigkeiten weitgehend zu vermeiden“, führte er weiter aus. Andere Deutschschweizer Kantone hätten nicht viel höhere Rebflächen, aber tiefere Einwohnerzahlen. Das erfordere dort grössere Marketing-Anstrengungen und helfe mit den produzierten Wein ausserhalb der Kantonsgrenzen zu positionieren. Die AG-Rebfläche liegt knapp unter 400 ha und die Ernte 2016 lag bei rund 19‘000 hl. Dabei gab es dort schon zur Römerzeit Reben und vor rund 120 Jahren sank der Bestand von damals noch über 1000 ha (auch wegen der Reblaus) nach und nach auf die heutige Fläche ab. – Zum Vergleichen: Bern hat nur 22 ha Reben in der Region Thunersee und 221 ha am Bielersee. Dabei wird Bern „aufgeteilt“: Die Region Thunersee zählt weingeografisch zur Deutschschweiz und die Region Bielersee zur Westschweiz.

2018 Bild zu Aargauer AbendLetztes Jahr konnte der Branchenverband Aargauer Wein sein 150-jähriges Bestehen feiern. Die Marketing-Organisation vertritt in den rund 70 Rebbau-Gemeinden des Kantons an die 800 Winzerinnen und Winzer. Unter Aarauerweine ist darüber viel Interessantes nachzulesen, das bei einer Wiedergabe den hier zur Verfügung stehenden Raum sprengen würde. Erwähnenswert ist jedoch, dass der Weinbau im Aargau eine nicht zu unterschätzende volkswirtschaftliche Bedeutung hat: Der Gesamtbruttoumsatz wird mit 36 bis 40 Millionen Franken beziffert. - Der Schreibende empfiehlt der Leserschaft die umfassende Homepage anzuklicken. Aus der Aargauer Weinlesekontrolle 2017, wo man sich besonders mit der Ernte von gesundem rotem Traubengut zufrieden zeigte. Wie fast überall in der Schweiz gab es aber auch im Aargau eine kleinere Ernte, als im Vorjahr. Sie lag im Schnitt der letzten Jahre 2017 nur bei 78 Prozent!

Pinot Noir und Riesling-Sylvaner dominieren
Der bei den Bernern so beliebte Chasselas hat im Aargau keine Chance. Es gab ihn 2016 nur gerade noch auf 24 Aren. – Dominant sind der Pinot Noir (212 ha) und der Riesling-Sylvaner (76.5 ha). Dabei hat die weisse Sorte Müller-Thurgau hier die sympathische Bezeichnung behalten, obwohl bekanntlich bei der damaligen Kreuzung zwischen dem Riesling nicht der Sylvaner sondern die Sorte Madeleine Royal (Chasselas-Art) Partnerin war. Bei den roten Sorten folgen dem Pinot der Garanoir und Gamaret mit zusammen 8 ha. Weitere bedeutende Sorten (Anbau über 3 ha) sind Cabernet Dorsa, Dornfelder, Malbec, Merlot, Regent und Zweigelt. Bei den Weissen sind der Sauvignon Blanc (14) sowie der Pinot Gris und Chardonnay (je über 7 ha) weiterhin am Aufholen. Dabei werden im Aargau gemäss Statistik des Bundesamtes für Landwirtschaft insgesamt über 20 weisse und noch mehr rote Sorten angebaut - zahlreiche jedoch nur auf unbedeutender Fläche.

Feine Weisse - überraschende Rote
Weinakademiker Markus Fuchs präsentierte in Bern neun Aargauer Provenienzen im Preisrahmen von 12.50 bis 19 plus drei Rote mit 22.50, 25 und 32 Franken. Dabei gabs für seine Ausführungen viel Applaus. Ein Teilnehmer legt Wert darauf, dass hier geschrieben wird, es sei keine reine Promotionsveranstaltung gewesen. „Ich schätzte es sehr, dass sich der Referent auch kritisch äusserte“, bemerkte er bei der Verabschiedung zum Verfasser dieser Zeilen.

Zum Auftakt und effektiv willkommenen Willkommenstrunk wurde ein fein-fruchtiger Tegerfelder Riesling-Sylvaner (Weingut Deppeler) aus dem Untern Aaretal ausgeschenkt. Am Tisch folgten zwei weitere R-S plus einTeilnehmer Sauvignon Blanc: Der erste Wein mit blumigen Noten, der sich fruchtig öffnete, war ein Fricktaler aus Ueken (Fehr + Engeli). Der zweite mit der Bezeichnung Wysse Birmenstorfer (Reusstal), zeigte sich sehr sortentypisch, recht kräftig und mir ansprechendem Muskat-Ton (WGB Birmenstorf). Der Sauvignon Blanc aus Wittnau im Fricktal (Rebgut Buchmann) brauchte etwas Zeit um sich zu öffnen, war dann aber rundum gut und der feine Duft nach angetrockneten Trauben brachte das Pünktchen auf den i. – Eine Überraschung war danach der rassige, aber doch nicht zu säurebetonte Fürstlicher Federweisse (Pinot Noir, Fürst-Weine Hornussen, Fricktal), der mit seiner feinen Fruchtigkeit echt Freude machte. Fein und elegant trat aber auch der brillante rubinrote Pinot aus Seengen/Seetal (Weingut Lindemann) auf. Dabei hat er allgemein und nicht nur wegen seiner Farbe gefallen, auch wenn am Schluss vielleicht eine Bitter-Note zurückblieb. – Die drei nächsten Pinot Noir erwiesen sich als Klasse für sich: Der Edelblut aus Tegerfelden (Weinbau Baumgartner) mit feiner Burgunder Nase und gut eingebundenen zarten Barrique-Noten überzeugte auf Anhieb und war mein Favorit des Abends. Der Küttiger Stierenblut aus der Region Aarau/Schenkenbergertal (Wehrlis Weinbau) begeisterte weniger. Sein rassiger Auftritt wurde durch fehlende Feinheiten und Ründe abgemildert. Die Degustierenden wählten danach mit Abstand den Reserve Kloster Sion (Weingut Sternen, Würenlingen, Unteres Aaretal) zum besten Wein des Abends. Alles in allem ein Klasse-Wein – ebenbürtig mit grossen Burgundern, aber vielleicht doch mit etwas zu viel (neuem) Holz, das es schwer machte, die Herkunft des Weines als Aargauer Gewächs nachzuvollziehen. - Als lehrreich zeigte sich ebenfalls die Verkostung der drei letzten Weine: Eines Illenthaler Merlots (Weinbau Schraner, Kaisten/Fricktal), der nicht ganz so auftrat, als man es sonst von einem Merlot gewohnt ist. Erst nach dem Auftakt mit vegetabilem Eindruck im Gaumen zeigten sich dunkle Früchte, die dem Wein am Schluss doch die Note gut einbrachten. Fantastisch war dann die Farbe des Gamarets aus Tegerfelden Loch (Weinbau Baumgartner/unteres Aaretal). Mit zarten vegetabilen Noten und schöner Frucht wusste der Tropfen zu überzeugen. Und zuletzt wurde eine moderne Komposition serviert: Der Cuvée Finesse der Wiler Trotte (Familie Oeschger, Wil/Geissberg) wartete mit schwarz-roter Farbe sowie mit kräftigen Noten dunkler Früchte auf und wurde aus den Sorten Cabernet Dorsa, Regent, Garanoir und Dornfelder kreiert. Ein „appartiger“ Wein, den man sich gut zu rotem Fleisch an kräftiger Sauce und zu Wild vorstellen kann. – Dabei gab es aber nicht durchwegs Lob: „Das ist nicht meine Welt“, bemerkte zum Beispiel ein Tischnachbar, der den Wein aber doch interessiert verkostete. – Die vollständige pdfWeinliste finden Sie hier …

BratentellerFassen wir kurz zusammen: Die Berner Weinfreundinnen und –freunde haben feine erfrischende Riesling-Sylvaner getrunken, verschieden ausgebaute Pinots genossen sowie neue kraftvolle Gewächse kennengelernt. - Der auch unterhaltsame, gemütliche Abend wurde am Schluss von der Hotel Bern Küche sinnigerweise mit einem saftigen Aargauer Schweinshals-Braten abgerundet, wobei selbstverständlich auf dem Teller ein Aargauer Rüebli-Gemüse nicht fehlen durfte. – Wer nicht dabei war, hat etwas verpasst!