Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Bern - Berichte & Fotos

„Dank“ Corona mussten die Teilnehmer an Einzel- oder Zweiertischen „plaziert“ werden. Das war der Gemütlichkeit nicht gerade förderlich – aber die hohe Qualität der Weine tröstete uns darüber hinweg! Alle waren froh, endlich wiedermal an einer Degustation teilnehmen zu dürfen

Mats van de Steenoven, Weinakademiker

Nach einer gefühlten Ewigkeit (Coronakrise!) konnten wir am 22. Oktober endlich wiedermal gemeinsam eine wunderschöne Weindegustation erleben – lag doch die letzte Degustation schon 8 Monate (!) zurück. Alle andern Anlässe der Berner Weinfreunde mussten aus „Coronagründen“ abgesagt – resp. auf nächstes Jahr verschoben werden. Aber auch bei diesem Anlass musste das Schutzkonzept genau eingehalten werden, weshalb die Teilnehmerzahl beschränkt wurde. Das hatte leider zur Folge, dass wir gezwungen waren, mehreren Angemeldeten abzusagen. Ich hoffe sehr auf das Verständnis der Betroffenen. Trotzdem konnten wir 48 Weinfreunde und Weinfreundinnen  begrüssen. Aufgrund der Distanzen untereinander, und der Einzel- resp. Zweiertische, war der Anlass vielleicht nicht ganz so gemütlich, wie wir es uns sonst gewohnt sind. Aber wir leben im Moment einfach in einer schwierigen Situation – und wir müssen versuchen, das Beste daraus zu machen!

Die Degustation mit dem Thema „Deep in Toscana“ wurde organisiert von unserem Vorstandsmitglied Peter Hässig, welchem ich bei dieser Gelegenheit herzlich danken möchte. Geleitet wurde die Degustation vom Weinakademiker Mats van de Steenoven – Weineinkäufer und Weinverantwortlicher bei der Firma Terravigna, Utzensdorf. Auch ihm möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken für die grossartige Präsentation der Weine und der Oenologie der Toscana im allgemeinen.

 2020 Toscana degustation

 „Dank“ Corona mussten die Teilnehmer an Einzel- oder Zweiertischen „plaziert“ werden. Das war der Gemütlichkeit nicht gerade förderlich – aber die hohe Qualität der Weine tröstete uns darüber hinweg! Alle waren froh, endlich wiedermal an einer Degustation teilnehmen zu dürfen.

Die Toscana leidet immer noch etwas unter dem schlechten Ruf des Chianti, als dort vor doch schon mehr als 10 -15 Jahren noch Massenweine produziert wurden, welche bei den Weinliebhabern wenig Anhänger fanden. Mit dem Ziel der Verbesserung der Weinqualität wurden von den Italienischen Weinkonsortien die Qualitäsvorschriften, Rebsortenvorschriften etc. verbessert und verfeinert, aber auch verkompliziert. Das hat zur Folge, dass es für uns Weinkonsumenten oft sehr schwierig ist, genau zu verstehen, was es konkret bedeutet, ob ein Wein nun die Bezeichnung DOC oder DOCG oder IGT oder einfach die Bezeichnung „Vino da Tavola“ führt.

Auch Weingeografisch ist die Region Toscana sehr vielfältig: einerseits befindet sich das „Chianti classico“ im Zentrum der Toscana – aber in der Region finden wir natürlich Denominazionen wie Montalcino (Brunello) , Montepulciano (Vino Nobile), Maremma, Bolgheri (Sassicaia) und viele mehr. Alle diese Regionen unterscheiden sich im Klima und im Terroir – was natürlich zur Vielfalt dieser Weine führt. Aber eines haben alle gemeinsam: die Rebsorte Sangiovese wird in all diesen Regionen (noch?) angebaut. Da die Vorschriften wie erwähnt bezüglich DOC, DOCG und IGT sehr unterschiedlich und sehr kompliziert sind, produzieren immer mehr Oenologen der Toscana „Vino da Tavola“. Damit sind sie viel freier in der Auswahl der Rebsorten und der Produktionsweise.

Wir hatten an unserem Anlass das grosse Glück, eine wunderbare Auswahl dieser Weine zu degustieren. Auffallend bei vielen Weinen war, dass es sich um Assemblagen recht zahlreicher Rebsorten handelte. Dabei handelte es sich - - ausser der Sangiovese – meist um französische Sorten, die scheinbar in der Toscana besonders gut gedeihen und auch guten Absatz finden!

Schon der einfache Vermentino, der „Emilio Primo Bianco Toscana IGT, 2018“ kam sehr elegant und feinfruchtig daher –  ein guter Einstieg in eine Toscana-Degustation.

Der zweite Weisse mit den Rebsorten Sauvignon Blanc/Petit Manseng/Traminer/Semillon aus dem Edelstahltank, der Poggio Argentato IGT 2018 Fattoria Le Pupille, Bolgheri,  bestach durch seine Fruchtigkeit. Er wurde gefolgt von einem sehr holzbetonten Cuvée aus Procanico/Malvasia/Chardonnay, dem „Il Bianco Toscana IGT2018“ von Gagliole.

Nun folgte in Flight 2 der erste Sangiovese , unterstützt durch 5% Merlot und 5 % Malvasia Nera, welcher v.a. wegen seiner intensiven Farbgebung zugefügt wird. Es handelte sich um einen Castello di Fonterutoli von Mazzei, welcher den meisten Weinfreunden bekannt sein dürfte. Dieser Wein hat 12 Monate barrique – Lagerung hinter sich und besticht durch seine tiefen, intensiven Reifetöne.

Anschliessend durften wir zwei reinsortige Sangiovese degustieren. Der erste, ein Ginestro Rosso di Montalcino DOC 2017, war 12 Monate, und der zweite, ein Poggio Valente IGT Toscana 2017, 15 Monate im Tonneau: beide Weine begeisterten durch ihre wunderschöne „Sangiovese-Frucht“, wobei v.a. der Pioggio Valente von den meisten Weinfreunden sehr gut benotet wurde – ein absoluter Spitzenwein!

Im Flight 3 präsentierte uns Mats van de Steenoven zuerst eine typsich französische Assemblage aus Cabernet Sauvignon/Merlot/Syrah, 12 Monate franz. barrique, den Emilio Primo Bolgheri Rosso DOC 2017, anschliessend eine Assemblage Sangiovese/Merlot, 14 Monate franz. Eiche, den Valetta IGT 2017 von Gagliole. Auch diese beiden Weine wurden von den meisten Weinfreunden mit Höchstnoten bewertet.

Dass wir noch einen reinsortigen Syrah aus der Toscana degustieren sollten, war für die meisten eine grosse Überraschung – haben wir diese Rebsorte eigentlich nicht in der Toscana erwartet. Dieser Syrah, der Hide Syrah IGT 2016 vom Weingut La Bulichella wächst in Meeresnähe etwa genau in der Mitte zwischen Livorno und Grosseto. Wegen der Nähe zum Meer gibt es hier meistens einen konstanten Wind, welchem die Reben ihre Gesundheit und die schöne tiefe Reife verdanken. Das Weingut ist als biologischer Betrieb zertifiziert, ist wunderschön gelegen und verdient sicherlich einen Besuch! (www.bulichella.it) Der Wein war eine Wucht, und wurde von fast allen zum Nachdegustieren gewünscht!

Flight 4 startete wiederum mit einer „französischen“ Assemblage: Der Terra Di Monteverro IGT 2015 von Monteverro ist eine Assemblage aus Cabernet Sauvignon/Cabernet Franc/Merlot/Petit Verdot, 20 Monate im barrique – einfach grossartig! Der darauf folgende reinsortige Sangiovese, der Brunello di Montalcino Fanti DOCG 2015 ist vermutlich bei vielen Weinfreunden bestens bekannt. Er hat von mir an diesem Abend die Höchstnote von 20 Punkten erhalten! – ja,  diesen Wein würde ich sehr gerne in grösserer Zahl in meinem Weinkeller einlagern – aber der Wein ist auch nicht ganz billig! Für viele war der letzte der degustierten Weine der Höhepunkt des Abends: Saffredi IGT Maremma 2017 von Fattoria le Pupille: ein Cabernet Sauvignon/Merlot/Petit Verdot, gelagert 18 Monate im Barrique. Klar, dieser Wein ist durchaus vergleichbar mit einem sehr guten Bordeaux – aber sein Preis ist halt auch dementsprechend. (Terravigna: Fr.79.- / ohne Gewähr)

Es war ein grossartiger Wein-Abend : sehr lehrreich, sehr genussvoll und spannend. Meine Gedanken gingen aber etwas in eine Richtung: ist es nicht ein bisschen gefährlich, wenn auch in der Toscana die französischen Rebsorten mehr und mehr überhand nehmen und die einheimischen – insbesondere die Sangiovese, langsam aber sicher zurückgedrängt werden ?

Nochmals ein herzliches Dankeschön an Mats van de Steenhoven und an Peter Hässig

                                                                       Dan Sennhauser, Präsident Berner Weinfreunde