Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Bern - Berichte & Fotos

Bericht von Fritz Sahli

Der erste Anlass im Jahr gehört bei den Weinfreunden Bern in der Regel einer bestimmten Rebsorte. Diesmal war es anders: Der Vorstand und der Rebsorten-Spezialist des Vereins, Philipp Hurni, haben sich mit dem Thema -Rare Reb-Perlen Italiens- etwas Neues ausgedacht.

2019 Philipp Hurni2Dank den lockeren, aber doch eingehenden Erläuterungen des Referenten erfuhren die Anwesenden während der Degustation Wichtiges über Rebsorten, die ihnen bisher nicht, oder kaum bekannt waren. Am Schluss war man sich einig: Philipp Hurni durfte für seinen grossen Einsatz anhaltenden Beifall entgegennehmen!

Präsident Dan Sennhauser
konnte zu diesem Anlass in der Schmiedstube 67 höchstinteressierte Mitglieder begrüssen und benützte die Gelegenheit, auf kommende Anlässe aufmerksam zu machen: Am 14. März trifft man sich im gleichen Lokal zur Hauptversammlung, wo auch wieder eine Blinddegustation bevorsteht. Thema des Abends vom 24. April ist dann die Waadtländer Region Bonvillars, wo es feine und vor allem auch preiswerte Gewächse zu verkosten gibt. Der Ausschuss, der in Bonvillars die Weine aussuchte und verkostete, ist überzeugt davon, dass auch dazu eine Teilnahme nur empfohlen werden kann.

13 Raritäten aus 10 Weinbaugebieten
Philipp Hurni gab eingangs der Präsentation der pdf13 Raritäten aus 10 italienischen Weinbaugebieten einen fundierten Überblick über die gegenwärtige, weltweite Situation im Weinbau: Zusammengefasst kann dazu Folgendes notiert werden: China ist bekanntlich am Aufholen und nimmt punkto Fläche aktuell nach Spanien, Frankreich und Italien Rang 4 ein. Danach folgen die Türkei, die USA und Portugal. Allgemein ist jedoch die weltweite Rebfläche von rund 8 auf etwas mehr als 7.5 Millionen Hektaren zurückgegangen. Da nicht überall Wein, sondern z.B. Weinbeeren und Traubensaftkonzentrat produziert wird, scheint die jährliche Weinproduktion mit rund 650 Mio. hl nicht extrem hoch. Und doch wird stets mehr Wein produziert, als getrunken wird; der Wein-Überschuss beträgt immer um die 25 - 30 Mio. hl.

2018 Weingebiete ItaliensIn Italien reihen sich die Weinanbaugebiete (fs.-Repro-Bild) von zuoberst bis hinunter nach Sizilien (grösstes Gebiet vor Apulien und Veneto) fast aneinander. Offiziell sind es 20. Wenn man das Südtirol und das Trentino als autonome Provinzen auseinanderhält kommt man auf 21. - Kleinstes Gebiet ist das Aosta-Tal, gefolgt von Südtirol und Ligurien. - Sangiovese ist (gefolgt von Montepulciano und Merlot) die in Italien am meisten angebaute Rotwein-Sorte. Bei den Weissweinen ist es bekanntlich (die verschiedenen lokalen Arten zusammengefasst) der Trebbiano. 2010 lag diese Sorte punkto Fläche vor dem Catterato Bianco und dem Chardonnay. – In Italien kennt man x-hundert Rebsorten, kann aber nachlesen, dass zur Kelterung von Wein nur 50 – 70 Verwendung finden. Was da also noch wächst, würde ohne weiteres für einen 2. oder sogar 3. Raritäten-Weinabend reichen.

Die degustierten Weissweine
Der erste rare Wein (Details wie Jahrgang, Alkoholgehalt, Produzent und Lieferant siehe Weinliste), der bereits zum Empfang ausgeschenkt wurde, war der Cococciola aus der Region Chieti/Abruzzen. Der fruchtige, aber doch sehr säurebetonte und etwas streng-aromatische Wein wird in Italien auf nicht ganz 1000 ha angebaut. Die Sorte kommt unter verschiedenen Synonymen auf kleinen Flächen auch in andern Gebieten und Ländern vor. Echt trinkig, gefällig und erfrischend präsentierte sich dann der Pignoletto aus den Colli Bolognesi (Emilia-Romagna). Auch diese alte Sorte, deren Name von den tannzapfenförmigen Beeren abgeleitet wird (pigna =Tanne), gibt es unter anderen Bezeichnungen. Eine davon betrifft den Grechetto di Todi, während bei andern Grechetti keine Verwandtschaft abgeleitet werden kann. Der rückläufige Anbau des Pignolettos lag 2010 um die 1400 ha. Dabei sei hier die keinesfalls abschätzig gemeinte Feststellung erlaubt, dass es meist Jahre dauert, bis in Italien wieder einmal aktuelle Flächenzahlen veröffentlicht werden. – Der folgende Wein, ein Trebbiano Spoletino aus Umbrien erwies sich als gewöhnungsbedürftig und öffnete sich erst nach längerer Zeit im Glas. Mit Jahrgang 2014 hat er sich eine goldgelbe Farbe zugelegt und zeigt Citrus-Noten, tropische Früchte, Nüsse und am Schluss sogar einen Hauch von Harz. Auch hier sei deshalb wieder einmal vermerkt, dass niemand gleich degustiert und empfindet, wie seine Nachbarin/sein Nachbar oder sogar die grossen Kenner der Materie. -Trebbiano-Weine gibt es in den verschiedensten Anbaugebieten und in den verschiedensten Klonen. Selbst der Ugni Blanc in Frankreichs Charentes geht auf den Trebbiano aus Italien zurück. Der Spoletino-Klon ist aber am Zurückgehen. 2010 gab es nur noch 1400 ha.

Der letzte Weisse, dessen Anbau mit erst 68 ha wieder zunehmend ist, gibt es nach den Ausführungen des Referenten nur im Piemont, jedoch bereits seit dem 15. Jahrhundert: Der seltene Timorasso (68 ha) aus den Colli Tortonesi in der Provinz Allessandria erwies sich verkostungsmässig als hochinteressant und mit 14.5 Vol.-% auch alkohlreich. Wohl wegen seinen ausgeprägten kräftigen floralen, aber auch erkennbaren vegetabilen Noten könnte er bei einer Degustation im schwarzen Glas wo möglich sogar als Rotwein durchgehen.

Die degustierten Rotweine
Schaut man sich eine weinplus.eu-Rebsortenliste von Italien an, so zählen die roten Sorten, die nun zur Degustation standen, fast alle zu den raren oder eher seltenen. Zuerst der frucht- und farbbetonte Susumaniello (58 ha) aus dem Salento (Apulien), der in verschiedenen Qualitäten erhältlich ist. Wie man sagt, kam die Sorte mit dem enorm schönen Namen höchstwahrscheinlich, wie z.B. auch der Primitivo, aus Kroatien. Degustativ ist je nach Vinifikation sogar eine Ähnlichkeit nachvollziehbar, obwohl der Susumaniello aus einer Züchtung von Garganega und Uva Sacra entstanden ist. Die servierte, eher etwas günstige Variante vermochte die Anwesenden gut anzusprechen. Immerhin wurden dem Wein vom Gambero Rosso 3 Bicchieri zugesprochen. Und am Schluss liess man sich den Tropfen ganz gerne zum guten Poulet-Risotto-Teller nachschenken. – Der 2. Rote, ein feinfruchtiger, kräftiger Canaiolo Nero (1068 ha) aus dem Lazium gefiel nicht allen ganz so gut. Er war etwas zu trocken und entstammt einer Sorte, die man eher im Zusammenhang mit der Toskana kennt, wo sie im Chianti als zweitwichtigste Sorte bekannt ist. – Etwas eleganter, farbintensiver, ründer im Gaumen und ebenfalls leicht kräftiger zeigte sich dann der Nero di Troia (1400 ha, auch Uva di Troia plus x Synonyme). Auch davon gibt es aus dem nördlicheren Teil von Apulien einfachere und richtige Spitzengewächse (z.B. Castel del Monte Riserva). – Mit einem hier weit weniger bekannten Wein, einem Pelaverga aus Verduno/Piemont wurde die 2. Rotwein-Serie eingeleitet. Der helle beerenfruchtige, aromatische Tropfen wird nur auf 12 ha angebaut und war damit eine ganz besondere Rarität. Mit der folgenden Provenienz, einem Nieddera (107 ha) aus Sardinien, kam ein weiterer Wein ins Glas, den die meisten Weinfreundinnen und Weinfreunde noch nie verkostet hatten. Trotz floralen und rotbeerigen (Kirschen-) Noten schaffte es der Tropfen nicht, zu den besten des Abends aufzuschliessen. Da stand der letzte Wein der Serie, ein Bovale aus Sardinien (469 ha, auch Bovale Sardo/in Spanien Graciano) schon näher am Podest. Die kräftige Farbe, der feine Kirschenduft und schliesslich die pfeffrigen Noten plus Alkohlanteil von 15 Vol.-% lassen erahnen, dass der Wein bestens zu rotem Fleisch und z.B. Hirsch- oder Rehpfeffer passen könnte.

Das Schluss-Bukett
Die letzte Serie wurde wieder mit einem seltenen Wein begonnen: Der Rebo (Trentino, Rebo ist der Vorname des Züchters Rigotti) soll aus Merlot x Teroldego entstanden sein. Etwas eigene Aromen, aber auch rote und dunkle Beeren. Gute Eignung für Barrique-Ausbau, Komplementärsorte für den IGT Benaco mit Anbau auf 119 ha im Trentino und rund um den Gardasee. – Aus einer schon besser bekannten Sorte stammte der Ciliegolo (1830 ha, Montalcino/Toskana), ein körperreicher, würziger Wein mit Kirschen-Noten, sehr interessant zu degustieren.

2018 ToskanaTypisch Toskana/Maremma: Landwirtschaftliche Nutzung und in den Hügelzonen Olivenhaine und Rebberge soweit das Auge reicht (fs.-Bild). – Der Ciliegolo kommt jedoch auch in andern Gebieten vor und wird sogar auf kleinen Flächen in Übersee angebaut. Wird in Toskana-Weinen meist als Teil von Assemblagen eingesetzt.

Der letzte Kraftprotz, ein Teroldego Veronese (839 ha), reifte während 30 Monaten im Eichenholz. Das dunkelfarbige, kraftvolle Gewächs aus dem Veneto mit Noten nach roten Kirschen, unzähligen Gewürzen und sogar etwas nach Wild, war ein passender Schlusspunkt der Raritäten-Degustation. Mit Blick auf die vorangehende Serien aber für den Verfasser nicht der beste Wein des Abends, da er es ihm neben der Kraft doch an Eleganz mangelte, die zu einem Wein in der Preisklasse von über 30 Franken einfach dazugehört. In dieser Degustation war der Wein aus dem Veneto vor allem eine Rarität, weil man ihn ursprünglich nur vom Trentino her kennt, wo er Teroldego Rotaliano oder auch Tiroler Gold genannt wird, aber andernorts auf kleinen Flächen unter den verschiedensten Synonymen angebaut wird.

Summa summarum: Die hochinteressierte Berner Weinfreunde-Schar erlebte in jeder Hinsicht einen lehrreichen Weinabend, der ein anderes Jahr zum Beispiel mit Raritäten aus Frankreich oder aus Spanien usw. usw. gut und gerne wiederholt werden könnte. - Einige der verkosteten Raritäten werden sicher eine Seltenheit bleiben. Andere werden nach und nach bekannter werden und sich, wenn auch nicht sofort, langsam aber sicher aus dem Schatten der grossen Gewächse heraus etabliern. Warten wirs ab, bleiben wir dran. - Dazu auch an dieser Stelle nochmals ein Dankeschön an Philipp Hurni, der sich eingehend informierte und am Anlass alles gab, sein grosses Rebsorten-Wissen weiterzugeben!