Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Bern - Berichte & Fotos

Bericht von Peter Hässig

Am 9. September 2017 führten die beiden Organisatoren Alexander Koller und Willi Nafzger eine gutgelaunte Reisegruppe in den Kanton Thurgau. Ich darf es gleich am Anfang meines Berichts hervor streichen; sie haben die Reise perfekt vorbereitet und uns einen spannenden Einblick in eine wenig bekannte Weinbauregion präsentiert. Ihnen gebührt dafür ein grosses Lob.

Die recht lange Anfahrt erforderte eine frühe Abreise in Bern. Nach einem ersten Adrenalinschub, weil ein zu kleiner Reisecar am Treffpunkt vorfuhr, verlief die Reise problemlos. Die beiden Organisatoren verstanden es mit ihren kompetenten Einführungen in den Weinbau des Kantons Thurgau, die Erwartungshaltung der gut gelaunten 46 ReiseteilnehmerInnen hoch zu halten. Aus ihren detaillierten Informationen kann ich hier nur eine kurze Übersicht festhalten. Der Kanton Thurgau unterscheidet 5 Weinbauregionen (Laucherntal, Thurtal, Seebachtal, Rheingebiet und Untersee), davon konnten wir leider nur das untere und das obere Thurtal erkunden. Die Hauptsorten sind Müller-Thurgau und Pinot Noir. Der Anteil der Rotweinsorten überwiegt mit 62 % der Weinernte.

Nach einem Kaffeehalt im Autobahnrestaurant Kemptthal erreichten wir schliesslich unser erstes Reiseziel: das Bio-Weingut von Karin und Roland Lenz am Iselisberg in Uessligen-Buch. Vom ersten Moment an war eine schier unglaubliche Begeisterung der beiden Gastgeber für den Bio-Weinbau spürbar. Sowohl die Besichtigung des Betriebs, der sich weitgehend auf erneuerbare Energien abstützt, wie auch die nachfolgende Weinverkostung im ansprechenden Degustationsraum wussten die TeilnehmerInnen von der lenz'schen Philosophie zu überzeugen. Mir persönlich hat vor allem die konsequente Förderung der Biodiversität im Weinberg beeindruckt. Diese wirkt sich auch in der hohen Zahl der verschiedenen, angepflanzten Traubensorten aus. Die Verkostung bot daher einige, neue sensorische Entdeckungen. Zur Begrüssung wurde ein Rosé Schaumwein tradition/brut aus 100% Cabernet Jura gereicht. Dieser Schaumwein bekam viel Zuspruch und auf meinem Bewertungsblatt ein hohe Note. Es folgte ein fruchtiger Rhein-Riesling 2016, eher leicht, aber mit einer schönen Ausgewogenheit. Der dritte Wein war eine ungewohnte Assemblage aus Bronner, Johanniter und Seyval blanc, der Anno weiss 2016. Er ist trinkfreudig, mit traditionellen Weinbeschreibungen aber schwierig zu erfassen. Auch die folgenden Piwi-Weine machten eine Standardbeschreibung nicht einfach, dafür umso mehr Freude im Glas. Insbesondere der Handwerk weiss 2016 aus 100% Souvignier gris (Cabernet Sauvignon x Bronner) vermochte speziell bei den Damen hohe Anerkennung finden. Insgesamt darf nach der Weisswein-Verkostung erfreut festgestellt werden, dass auch im Jahr 2016 bei sorgfältiger Arbeit im Weinberg und im Keller trotz der schwierigen klimatischen Bedingungen sehr gute Ergebnisse erzielt werden konnten. Die nachfolgend degustierten Rotweine stammten noch aus dem klimatisch einfacheren Jahrgang 2015. Zuerst wurde ein Léon Millet 2015 (100% Léon Millet) ausgeschenkt. Er zeigte sich fruchtig und anhaltend. Anschliessend folgte ein spannender Vertreter, der Handwerk rot 2015. Dieser Wein aus 100% Zweigelt wurde in Ganztrauben-Maischegärung zu einem süffigen Essensbegleiter erzogen. Den Abschluss machte ein Edition Nr. 3. Ein Wein, der unter den WeinfreundInnen zu widersprüchlichen Reaktionen führte. Dies nicht wegen der Qualität, der Wein schmeckte ausgezeichnet. Sondern wegen der gewählten Assemblage: 50% Wein aus dem Weinberg im Thurgau (Garanoir, Pinot Noir, Léon Millet) und 50% aus dem Weingut Viña Chillan der Familie Lenz in Chile (Malbec). Die Trauben für diesen Wein wurden vor der Kelterung angetrocknet. Wegen der gewählten Mischung aus zwei unterschiedlichen Klimazonen trägt der Wein keinen Jahrgang. Dieses interessante Experiment ergibt einen vollmundigen Rotwein mit anhaltendem Abgang. Persönlich stehe ich der Assemblage unterschiedlicher Weinregionen aber skeptisch gegenüber.

               Bild anklicken und durchblättern...

Bei diesem Einstieg in den Weinbau des Kantons Thurgau fehlten die beiden erwähnten Hauptsorten Müller-Thurgau und Pinot Noir, da sie sich im Klima der Ostschweiz schwer als Bioweine kultivieren lassen. Deren Verkostung wurde daher am Nachmittag nachgeholt.

Das Mittagessen im Gasthaus zum Trauben in Weinfelden bestätigte die bekannte Weisheit, dass sich gutes Essen und guter Wein bestens ergänzen. Die Gastgeber Olivia und Jürg Langer verwöhnten uns mit einem ausgezeichneten Mittagsmahl. Zum Apéro servierten sie einen Winner Sekt vom Weingut Burkhart, als Weisswein einen Müller-Thurgau 2014 vom gleichen Produzenten sowie als Rotwein einen Regent 2015 vom Weingut Benno Forster. Diese Weine ergänzten das Essen in vorteilhafter Weise.

Gut gestärkt starteten die TeilnehmerInnen in die Verkostung vom Nachmittag im neuen Mehrzweckgebäude des Weinguts Burkhart am Ottoberg in Weinfelden. Dieses moderne, lichtdurchflutete Gebäude bot einen idealen Rahmen für die Vergleichsdegustation von Weinen aus verschiedenen Weingütern. Dabei konzentrierten sich die Organisatoren auf die Hauptsorten des Thurgaus. So standen für die Müller-Thurgau-Weine neben der Flasche vom Weingut Burkhart je eine vom Weingut Broger in Ottoberg, vom Weingut Wolfer sowie vom Schlossgut Bachtobel, beide in Weinfelden. Es war ausserordentlich spannend, die Handschrift der Winzer bei Weinen, die auf der gleichen Basis beruhen (100% Müller-Thurgau, 2016, Lage Ottoberg), festzustellen. Die Unterschiede waren verblüffend, von fruchtig leicht bis zu schwerem, fast fettigem Ausbau. Ebenso spannend waren die Urteile der TeilnehmerInnen. Sie wichen deutlich ab, aber alle fanden ihren Favoriten. Erfreulich ist, dass trotz dieser Vielseitigkeit bei Kelterung und Beurteilung kein Produkt abgefallen ist. Michael Burkhart hat dann diesem Müller-Thurgau-Block mit seinem Kernling Spätlese 2016 einen interessanten Gegenpunkt gesetzt. Die wenig bekannte Traubensorte ergibt bei sorgfältiger Behandlung einen ausgezeichneten Weisswein, der vielseitig eingesetzt werden kann. Ein echter Geheimtipp. Der Vergleich der Pinot-Noir-Weine der gleichen Weingüter, ergänzt durch den Pinot Noir privé des Weinguts Lenz (100% Pinot Noir angetrocknet) fiel nicht weniger spannend und unterschiedlich aus. Dabei kann aber auch mitgespielt haben, dass Weine der Jahrgänge 2014 und 2015 verglichen wurden. Trotzdem hat auch hier jede/r seinen Lieblingswein gefunden. Wie die angeregten Gespräche auf der Heimreise bewiesen, sind alle TeilnehmerInnen auf ihre Rechnung gekommen. Mit Sicherheit haben alle auf dieser Reise viel Neues kennen gelernt. Nochmals herzlichen Dank an die Organisatoren.