Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Schaffhausen - Berichte & Fotos

Weinkulturführung in den Kanton Thurgau mit nachdenklichem Abgang

Für uns Weingeniesser ist der Abgang oder Nachgeschmack eines Weines das wichtigste Beurteilungskriterium für dessen Gesamtqualität. Ein langer Abgang deutet auf einen grossen Wein. Nur ... kann eine Weinkulturführung in den Kanton Thurgau – notabene auf Schusters Rappen – einen Abgang haben, geschweige denn einen nachdenklichen Abgang? Die folgenden Zeilen hat sich der Schreiberling nach einer langen Zeit des Nachdenkens aus den Fingern gesaugt.

Angesagt für den diesjährigen Maienbummel waren neben dem Wandern auf den Anhöhen des Thurtales Wein- und Kulturperlen des Kantons Thurgau sowie Informationen von Weinbauprofis zu ihren Weinen, insbesondere auch Weinen von Piwi-Reben und deren Weine. Die Ansage war nicht zu viel versprochen, weinfreundliche Genüsse vielerlei Art warteten auf die gut 30 Schaffhauser Weinfreundinnen und Weinfreunde.

Unsere erste Station war der Rappenhof in Buch. Dort hat die junge Nina Wägeli im Januar 2018 von ihren Eltern den traditionellen Familienbetrieb übernommen. Nebst Reben und Wein werden auch Pferde gezüchtet. Ursprünglich Primarlehrerin sattelte Nina Wägeli selber auf Bäuerin mit Fachausweis um und stellt feste, dass die Übernahme der vollen Verantwortung für den Betrieb nochmals eine andere Schuhnummer sei. Trotzdem strahlte die jünge Bäuerin eine grosse Zuversicht aus und mit unverkennbaren „Pfupf“ servierte sie uns Kaffee und zwei ihrer mundenden Weine. So gestärkt bummelten die Weinfreunde weiter vom Seebachtal nach Iselisberg.

Bereits seit 25 Jahren steht das Bio-Weingut von Roland und Karin Lenz für nachhaltigen Weinbau in der Ostschweiz in der Verantwortung. Patron Roland Lenz empfängt uns, führt uns kurz durch das erste energieautonome Weingut der Schweiz bis in den Event-Raum, wo wir seine überzeugende „Morgen-Predigt“ empfangen. Darin äusserte seinen Wunsch, einen Tag mit seinem Ur-Ur-Grossvater zu verbringen, „um zu lernen, was er damals wusste. Sein altes Wissen mit unserem neuen Wissen zusammengeführt, das wäre Gold wert!“ Seine Quintessenz lautet: Die Natur lässt sich mit der Wirtschaftlichkeit unter einen Hut zu bringen. Dazwischen geniessen wir vier seiner Weinpersönlichkeiten, alles Piwi-Spezialitäten.

Nach dem schmackhaften Mittagessen im Restaurant Aussicht Iselisberg und auf der Wanderung durch die Iselisberger Reblagen zur Kartause Ittingen stellte sich die bereits erwähnte „Nachdenklichkeit“ ein. Begriffe wie Klimaerwärmung, pestizidfrei Produktion, Trinkwasserinitiative, Aura eines Rebbergs, Traubensorten-Biodiversität, etc., etc. schwirrten dabei noch lange im Kopf herum. Bis zur Führung durch die Kartause blieb noch etwas Zeit, um mit einem schönen Klosterbier die zum Teil schweren Gedanken etwas zu verdünnen.

Eindrücklich der Besuch durch die fast vollständig erhaltene Klosteranlage, in der das Leben der Mönche noch immer hautnah erfahrbar ist. Künstlerischer Höhepunkt ist dabei die Klosterkirche, ein Barockjuwel. Die klösterliche Tradition der Selbstversorgung wird in der Kartause Ittingen heute noch gelebt. Was immer möglich, wird im eigenen Gutsbetrieb produziert. Die Trauben aus den 10 Hektaren umfassenden Rebbergen werden in der eigenen Weinkellerei zu vorzüglichen Weinen gekeltert, von denen wir in der Degustation drei verkosten. Auffallend: Beim Jahrgang 2018 sticht nicht nur die beachtliche Weinqualität heraus, sondern auch ein neues äusseres Auftreten – eine neue Flasche mit neuer Etikette und Drehverschluss.

Bereichert von den vielen sehenswerten Eindrücken und genussvollen Momente der Weinkulturführung kehrten wir heim. Ich bin mir fast sicher, dass bei einigen von uns Weinfreundinnen und Weinfreunde der lange und nachdenkliche Abgang bereits auf der Heimfahrt spürbar war – es war nämlich verdächtig ruhig. Nicht nur beim Wein, sondern auch bei der weinfreundlichen Maientour ist der Abgang ein wichtiges Beurteilungskriterium für deren Gesamtqualität: Die heurige Weinkulturführung in den Kanton Thurgau war hervorragend! Herzlichen Dank an Peter Bührer, welcher uns dies Weinfreuden organisiert und geleitet hat.

Cornel Oertle

Bildeindrücke der Maientour. Für Vergrösserung und Album Click auf die Foto bitte!