Schweizerische Vereinigung der Weinfreunde

(ANAV)

 

Sektion Schaffhausen - Berichte & Fotos

«Der alte gute Kellermeister, alle Abend sieht er Geister» war auf einem Tor der Schlosskellerei Turmhof zu lesen. Kein Grund für die Schaffhauser Weinfreunde im Südtirol auf Geistersuche zu gehen. Viel eher erwarteten die gegen 50 TeilnehmerInnen vier Tage Südtirol, in dieser Gourmetecke mit vielen interessanten Weinen und einer geschichtsträchtigen Kultur.

Nach überpünktlichem Start in Schaffhausen – man ist sich das bei den Weinfreun- den so gewohnt – führt die Route mit dem Rattin-Bus via St. Gallen-Arlberg ins Unterengadin. Dort fliesst der Inn recht heftig in der optisch äusserst sehenswerten Landschaft. Beim Reschenpass liegt sogar noch ein kleiner Fronleichnamsstau drin, bevor uns in Nauders im Hotel Erika das Mittagessen erwartet. Zum leckeren Mahl geniessen wir – noch in Österreich – einen grünen Veltliner und einen Zweigelt. Nach der Grenze zu Italien zeigt sich die Gegend sehr abwechslungsreich: Stausee, Hügel, sehr schöne Landschaft. Zwei Fahrstunden später erreichen wir die Gärten des Schlosses Trauttmannsdorff bei Meran. Wir haben Zeit den 12 ha grossen, wunderschönen botanischen Garten zu begehen, trotz Wetter, welches uns leider zu kleineren Unterbrüchen zwingt. Nun sind wir unserem Ziel schon näher: in direkter Fahrt geht es weiter nach Bozen ins zentral gelegene Parkhotel Laurin, in dem wir die nächsten drei Nächte verbringen werden.

Nach dem Einquartieren werden wir zum Galadinner ins Kaminzimmer gebeten – das Essen verwöhnt unsere Gaumen nicht sonderlich. Die Cuvée-Weine dazu erweisen sich als okay. Mit einer kleineren Gruppe begeben wir uns anschliessend in den tollen Garten, trinken ausgezeichneten Wein und können so den Abend noch gemütlich ausklingen lassen.

Ein frühes Frühstück bereitet uns am zweiten Tag auf die Stadtführung von Bozen vor. Von unseren zwei sehr kompetenten Stadtführerinnen erfahren wir einige sehr interessante Dinge. So zum Beispiel: Alle zehn Jahre müssen sich die Bewohner von Bozen zu einer Sprachgruppe bekennen (Deutsch, italienisch, Rätoromanisch). Die Stellen im öffentlichen Dienst werden nach den Sprachkompetenzen vergeben. Fakt ist aber: Der Bürgermeister von Bozen gehört immer der italienischen Sprach- gruppe an. Das Südtirol ist autonom, deshalb verbleiben 90% der Steuern in Süd- tirol. Bozen hat auch eine religiöse Bedeutung: bereits 60-mal wurde auf dem Weg nach Rom zu Krönungen und ähnlichem, hier Zwischenstopp gemacht. Bozen ist eine gemütliche Stadt, in der man sich leicht orientieren kann und in der man sich schnell wohlfühlt.

Nach einem individuellen Mittagessen fahren wir um 13 Uhr mit unserem Bus das Eisacktal hinauf, an vielen schönen Orten vorbei, zu unserem nächsten Ziel, dem Kloster Neustift. Wir werden kompetent, aber relativ hastig, durch die Weinkellerei geführt, welche sich in dieser historischen Stätte befindet. Kloster Neustift füllt erstaunliche 900 000 Flaschen/Jahr ab. Nach der Besichtigung der Produktion geniessen wir in der Stiftskellerei noch eine Degustation, die leider aus Zeitgründen ebenfalls sehr zügig vor sich gehen muss. Der Wein „Omnes Dies“ bleibt mir in Erinnerung – dieser strohgelbe und klare Sommerwein aus Müller Thurgau und Kerner hat eine sehr frische Note – dieser Wein sollte jung getrunken werden, nicht älter als 1 bis 2 Jahre alt sollte man ihn werden lassen. Der Name Kerner bezieht sich auf einen Arzt, welcher zu Beethovens Zeit gelebt hat (Dr. Kerner). Im Degustationskeller wird noch ein kleines Vesperplättchen gereicht. Nun können wir gestärkt den Weg zum Weingut Klaus Lentsch nach Epan unter die Räder nehmen. Die Zufahrt hierzu ist recht schwierig – zum Glück fahren wir in die „richtige“ Richtung, denn der Stau auf der Brennerautobahn ist kilometerlang.

In Epan, der grössten Weinbaugemeinde Südtirols, machen wir eine Betriebsbesichtigung in dieser neu errichteten Kellerei (der Besitzer hat daran noch 68 Jahre lang zu zahlen). Die Devise von Klaus Lentsch ist: Sorgfältig und sauber arbeiten. Seine Trauben werden allesamt von Hand gelesen. Bei langsamer Gärung kann in den ersten Wochen Gärzeit noch eine persönliche Note eingebracht werden. Die Abfüllanlage kommt quasi für einige Tage auf Stör zum Betrieb. Beim Sauvignon beispielsweise, wird dieser markante Wein in vier verschiedenen Tanks auf vier verschiedene Arten vergärt und dann anschliessend werden diese Weine wieder zusammengebracht. Lentsch pflanzt auch Blauburgunder, obwohl die in diesen Lagen eigentlich unüblich sind. Lagrein ist auf sandigen, steinigen Lagen, dünnen Lehmschichten und reinem Porphyrboden die wichtigste Rotweinsorte des Südtirols. Anschliessend geht es zurück nach Bozen (der Stau hat sich noch nicht aufgelöst) und wir verbringen den Restabend individuell.

Der Weinbau hat in der Südtiroler Gegend schon 2000 Jahre vor Christus begonnen, die Römer kamen erst 1500 Jahr später. Früher war der Kaltererseewein eine Massenproduktion (350´000 hl/J) und hatte einen sehr schlechten Ruf – bis in die 60er-Jahre. Jetzt wird erfreulicherweise eingeschränkt produziert und somit auf Qualität geachtet. Weshalb vorwiegend Weissweinanbau? Der Grund dafür ist folgender: Die Rotweinreben wurden beinahe flächendeckend durch die Reblaus zerstört, danach wurde die Entscheidung gefällt, vorwiegend Weissweine anzubauen, z.B. Kerner, dessen Alkoholgehalt bis zu 15% reicht. 1800 mm Niederschlag sind hier in der Gegend die Norm. Lagerung einige Zeit in Akazienholzfässern macht den Wein geschmeidiger.

Am Samstag ist dann die Südtiroler Weinstrasse angesagt. 1. Station ist die Schlosskellerei Turmhof in Kurtatsch. Bereits um 1225 n.Chr. wurde das „Gut Lintibclar“ erstmals urkundlich erwähnt. Sabine und Christoph Tiefenbrunner führen das Unternehmen bereits in der 5. Generation, mit dem stolzen Auftrag, die Winzerkunst mit Traditionsbewusstsein und Innovation zu verknüpfen, mit Respekt fortzuführen und weiterzuentwickeln. Entsprechend ihrer Weinlinien bauen sie die Weine in vier Stilrichtungen aus: Diese reichen vom klassischen Ausbau im Edelstahltank oder im grossen Holzfass, bis hin zur Lagerung und Reifung im kleinen Eichenfass/Barrique und in der Flasche.

Der Önologe Stephan Rohregger zeigt uns kurz den Keller und die Betriebsanlagen des Weingutes. Er präsentiert uns anschliessend in der Verkostung sechs Weine aus seinen bewährten Linien Selection LINTICLARUS, Selection TURMHOF, Classic MERUS und Selection VIGNA. Diese besten Weine sind den strengen Richtlinien des 'Grand Cru' verpflichtet und in den traditionsreichen Terroirs im Südtiroler Unterland und am Fuße des Schlerns gewachsen. Aus der Selection TURMHOF fallen drei Weine aufgrund ihres Gehaltes und Geschmacks besonders auf.Im Jahre 1848 wurde die Privatkellerei gegründet. Im Keller befinden sich teilweise noch 400-jährige Originalteile. Tiefenbrunners bewirtschaften 80 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Es werden zu 80% Weissweine produziert. In den Höhenlagen befinden sich eher die Rebberge, in der Talsohle eher der Obstanbau. 55% der Weine werden nach Italien (Toscana, Piemont) verkauft, da diese Regionen sehr wenig Weissweine produzieren. Der Export in die Schweiz sei ziemlich kompliziert. 99% der produzierten Weine sind Qualitätsweine. Bei 16 Festangestellten ergibt sich das Problem, dass die Weinlese und die Obsternte praktisch zeitgleich verlaufen. Ohne Gastarbeiter (vor allem aus Polen) wären die Ernten nicht stemmbar. Die Lesearbeiter bekommen zwischen 6.50 und 7 Euro/h. Die Weine, welche im Barrique (französische Eiche) ausgebaut werden, erfahren maximal eine 4-fache Belegung. Nach den sehr interessanten Ausführungen werden wir durch den Betrieb geleitet und können im Barriquekeller miterleben, wie die Trauben allstündlich eine Minute lang mit Bachmusik berieselt werden. Die Idee dahinter: durch die Musik Trauben mit der Natur zu verbinden.

Danach dürfen wir Platz nehmen im sehr gemütlichen Ambiente der Degustationsstube. In der sogenannten Zirmstube, was so viel bedeutet wie „Arven Stube“. (Arve, Zierbelkiefer, Zirm = derselbe Nadelbaum ist gemeint). Nach diesen sehr schönen, ansprechenden Weinen müssen wir leider die Schlosskellerei verlassen, werden wir doch bereits im Familienweingut Alois Lageder erwartet. Der Pionier des Südtiroler Weins setzt auf biologisch-dynamische Landwirtschaft. 1823 zog Johann Lageder nach Bozen, wo er mit Weinhandel begann. Seine Nachfolger kelterten selber Wein und Alois III kaufte im Jahre 1934 den Ansitz Löwengang in Margreid und bereits eine Generation später wurde auf naturnahen Anbau gesetzt. Im Jahre 1984 wurde der erste Weisswein, der komplett im Barrique ausgebaut wurde, auf den Markt gebracht. Die Naturnähe wird unter anderem dadurch erreicht, indem im Winter die Ochsen das Gras fressen und dadurch eine grössere Biodiversität gefördert wird. Wir besichtigen diese grösste Privatkellerei im Südtirol. Lageder bebaut verschiedene Zonen: Im Eisacktal wird der Weisswein angebaut, in Bozen der bekannte Rotwein Lagrein (der Wind vom Gardasee hilft für eine gute Traubenentwicklung) und in der neuen Zone bei Meran wird der Weissburgunder angebaut. Es stehen 40 Weine im Angebot. Innerhalb 35 Jahren hat sich der Anteil von 95% Rotwein auf 30% reduziert. Lageder’s Ziel ist, zu 100%-igem biologisch-dynamischem Ausbau zu gelangen. Nachdem wir den Ausbauturm, welcher am Felsen angebaut ist (Vorteil: im Sommer kühl, im Winter warm), besichtigt haben, geht es zum Mittagessen. Der Rindsschmorbraten mit dem Kartoffelgratin schmeckt sehr lecker und auch die dazu gereichten Weine sind nicht zu verachten.

Den 8½ ha grossen Weingarten können wir allerdings wegen den Witterungsbedingungen (sprich Regen) nicht geniessen. Das weitere Programm wird deshalb kurzfristig umgestellt: Wir besuchen zuerst die „Kellereien Cantina Kaltern und Erste & Neue Kellerei“ in Kaltern und werden je nach Wetterlage noch einen Abstecher zum Kalterersee machen. Dank der später doch noch hervorkommenden Sonne, kann dieser Wunsch umgesetzt werden.

Auch in diesem Weingut werden die Barriquefässer nur viermal belegt. Ein neues Barriquefass kostet zwischen 750 und 1000 Euro, ein bereits gebrauchtes Fass hingegen, kann schon um 97 Euro erstanden werden. Die Steineichenfässer machen den Austausch von Tannin vom Fass und Rotwein möglich. Zur Info: Nur 0,7 % der in Italien produzierten Weine stammen aus dem Südtirol. Nach dem Besuch des mit Fresken bemalten „Puntay Keller“ degustieren wir im modern gestalteten Betriebsgebäude die fünf wichtigsten Rebsorten von Kaltern aus der Selektionslinie.

Den letzten Tag können wir mit dem Frühstück auf der Terrasse an der Sonne beginnen und geniessen. Erfreulicherweise verläuft die Rückfahrt über den Brennerpass verkehrstechnisch einwandfrei. Wieder in Österreich machen wir Mittagsrast in Mils bei Hall im Landhotel "Reschenhof". In schön dekoriertem Ambiente können wir ein vorzügliches Mittagsmahl einnehmen, begleitet von sehr mundenden Weinen. Zum Essen gibt es: rosa gebratene Entenbrust und zum Hauptgang ein Schweinsmedaillon „Weinhauer Art“ in Trauben-Roquefortsauce mit Schlosskartoffeln und Gemüsevariation. Ein Erdbeersorbet bildet den Abschluss dieses ausgezeichneten, feinen „Galgenmahls“.

Die Zeit drängt und so schreiten wir unverzüglich zur Verkostung in der Edeldestillerie von Robert Oberhofer, die gleich „ennet“ der Strasse liegt. Drei Schnäpse werden verkostet. Die Philosophie des Grossvaters des jetzigen Inhabers war: eher milde Brände durch sauberes Brennen herzustellen. Wir können einen Marillenschnaps, einen Birnenbrand und eine alte Zwetschge probieren. Wir lernen wieder einiges: z.B. Brand bedeutet: der Alkohol entsteht in der Gärung; Geist: da wird Industriealkohol zugefügt.

Aufgefallen auf unserer Weinreise sind mir vor allem zwei Dinge:

  • dass es sehr viele junge, innovative Winzer in Südtirol gibt, die sich den neuen Herausforderungen der kommenden Jahre stellen werden.
  • Sehr viele Betriebe können auf mehrere Generationen zurückblicken – die Familientradition wird hochgehalten.

Beschwingt, aber dennoch ein wenig müde von den äusserst interessanten Ausführungen, machen wir uns dann auf den Heimweg. Im Car wird nicht mehr so angeregt geplaudert wie auf der Hinfahrt – wen wunderts: jeder und jede geht wohl in Gedanken nochmals die gewonnenen Eindrücke dieser Tage und dieser tollen Südtirolreise durch. Besten Dank unserem Reiseleiter und genialen Planer Peter Bührer.

Eine weiterhin weinbegeisterte und weinneugierige Weinfreundin Yvonne Birkner.

 

Weinliste der degustierten Weine

Stiftskellerei Neustift, Vahrn

  • Omnes Dies 2018 (Müller Thurgau und Kerner), Sommerwein, sehr erfrischend
  • Müller Thurgau 2018, Apfel in der Nase, saftig-salzig im Gaumen
  • Kerner 2018 (Dr. Kerner: Arzt zu Beethovens Zeiten), Mandarinennote, rassig im Gaumen
  • Kalterersee Auslese 2018 (Vernatsch), milde Säure im Gaumen, Bittermandelnote im Abgang

Weingut Tenuta Klaus Lentsch, St. Pauls / Eppan

  • Goldmuskateller Amperg 2017 tolle Bitterstoffe, fruchtig
  • Cuvée Syvi 2016 (Grüner Veltliner, Muskateller, Sauvignon blanc), frisch, keck, unkompliziert
  • Weissburgunder Amperg 2016 (10% in Holz ausgebaut), geheimnisvoll, ruhig
  • Sauvignon Amperg 2016 (aus vier verschiedenen Tanks mit unterschiedlichen Gärungen) präzise, zügig, knackig
  • Bachgart Blauburgunder 2015
  • Lagrein Riserva Amperg 2016 (Lagrein: wichtigste Rebsorte im Südtirol. Autoklone Rebsorte) gehaltvoll, extravertiert, schokoladig. Boden: reiner Porphyrboden= vulkanisch

Tiefenbrunner Schlosskellerei Turmhof, Kurtatsch

  • Weissburgunder 2018, Merus-Linie, spritzig, keck, fruchtig
  • Chardonnay 2017 Turmhof-Linie (10 Monate Gärung im Stahlfass), trocken, kleine Restsüsse
  • Pinot noir Riserva 2016 Liticlarus-Linie (40% klassischer Ausbau, 40% Barrique und 20% Rosenholzfass), samtig, rund, nach Schokolade riechender Pinot noir

Weingut Alois Lageder, Margreid

  •  Weissburgunder 2018, Chardonnay 2018 zum Salat
  • Cabernet Riserva 2016, Merlot Riserva 2016 zum Rindsschmorbraten und Kartoffelgratin:
  • Moscato d’Asti (nicht von Lageder) zum Schokoladencake:

Kellereien Cantina Kaltern und Erste & Neue Kellerei, in Kaltern

  • Vial Weissburgunder 2017
  • Campaner Gewürztraminer 2018, (erst seit zwei Wochen in der Flasche)
  • Quintessenz Kalterersee, Classico superieur 2017 (Rebstöcke zw. 85 und 100 Jahre alt)
  • Campaner Cabernet, Sauvignon Riserva 2016
  • Carano Lagrein Riserva 2015
  • Quintessenz Passito 2015 (Passito aus Goldmuskateller. Aus 100 kg Traubengut extrahiert auf 12 kg.
  • Die Schreiberin bekam noch speziell einen Rosenmuskateller


Zahlreiche Bildeindrücke der Weinkulturreise von Esther Wyss (ca 300 Stück in chronologischer Folge). Für Vergrösserung und Album Click auf die Foto bitte!